BIONET - Biocentric Research Network

Transzendenzerfahrungen in Biodanza

Author: Bettina Flick

Zu sanfter Musik forme ich mit meinen Armen eine Wiege vor meiner Brust. Mit geschlossenen Augen spüre ich: ich wiege meine eigene Seele. Sie ist schutzbedürftig. Ganz vorsichtig trage ich sie in meinen Händen. Da beginnen meine Arme, sich zu senken. Ich kann es nicht willentlich steuern. Meine Augen öffnen sich und ich schaue in die Weite. Plötzlich begreife ich: meine Seele hat sich mit der Weltenseele vereint, ich halte die ganze Welt in meinen Händen. Viel zu schnell ist die Musik vorbei und es dauert lange, bis ich aus der Trance wieder zum Wachbewusstsein zurückkomme. Einen kostbaren Moment lang durfte ich spüren, wie meine Seele eins ist mit der Welt und ich nur ein Teil des Grossen Ganzen. Mit anderen Augen sehe ich nun diese Welt, von der ich Teil bin. Dieses Erlebnis, das mir an einem Ausbildungswochenende geschenkt wurde, möchte aufzeigen, was meine Motivation für diese Arbeit war: Zu verstehen, was mir geschieht. Zu verstehen, was andere immer wieder erzählen zu Beginn einer Vivencia in Biodanza. Das Tanzen führt uns in eine andere Welt – oder lässt uns unsere Welt, die Realität mit neuen Augen sehen. Wir entdecken den göttlichen Kern in allem, was lebt. Seit meiner Kindheit zieht sich die Suche nach dem Göttlichen wie ein roter Faden durch mein Leben. In verschiedenen Lebensfasen hatte diese Suche für mich verschiedene Namen und Formen. Diese Suche führte mich dazu, mich in der katholischen Kirche, in die ich hineingeboren bin, zu engagieren. Sie liess mich Theologie studieren. Sie verbindet sich auch mit dem Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit, das mich von 1999 bis 2004 nach Lateinamerika führte. Dort lernte ich auch Biodanza kennen. Am Anfang faszinierte mich vor allem die Leichtigkeit und Lebensfreude, die liebevolle Beziehung, die unter den Teilnehmenden entsteht. Biodanza war und ist für mich eine Schule zu lieben und geliebt zu werden. 4 Erst nach einiger Zeit entdeckte ich, dass auch die transzendente Seite des Menschen im Biodanza gefördert wird, dass auch Biodanza mich in neuer Form in meiner Suche nach dem Göttlichen weiterführt. Durch Biodanza und andere Erfahrungen in den letzten drei Jahren wurde ich neu zum Studium von Literatur angeregt. Ich wollte und will verstehen, was ich erlebe und es tut mir gut, meine eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen, die ich erzählt bekomme, in einen grösseren Kontext stellen zu können. In dieser Arbeit möchte ich nun die mir wichtig gewordenen Erkenntnisse zum Thema Transzendenz aus Biodanza und von anderen Autoren vorstellen und den Transzendenzerfahrungen im Biodanza genauer nachgehen. So habe ich einen Fragebogen entwickelt und verschiedenen Menschen, die ich übers Biodanza kennen gelernt habe, zugeschickt. Viele von ihnen haben den Fragebogen ihrerseits weitergegeben, sodass ich nun das Ergebnis von 112 Antworten aus 5 Ländern in dieser Arbeit vorstellen kann. Danken möchte ich an dieser Stelle all den Menschen, die mir den Zugang zu Biodanza ermöglicht haben, in Peru vor allem Alfonso Granda und Segundo Villanueva, in der Schweiz Barbara Zisman und Nadia Robin, danken möchte ich all denen, die mit mir getanzt haben in Peru, in Chile, in der Schweiz, in Deutschland, in Österreich, danken möchte ich allen, die den Fragebogen ausgefüllt haben und besonders auch denen, die ihn so selbstverständlich weitergegeben oder weiter gemailt haben, danken möchte ich Gabi Freyhoff für ihre engagierte und kritische Begleitung dieser Arbeit, und danken möchte ich auch den Menschen, die in der Gruppe, die ich anleite, tanzen und sich immer tiefer einlassen

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