BIONET - Biocentric Research Network

Erlebnisorientierter Tanz- "Biodanza" mit alten Menschen

Author: Nora Fidora

Das Interesse an alten und hochaltrigen Menschen hat in unserer Gesellschaft und in der wissenschaftlichen Forschung aufgrund der demographischen Entwicklung1 stark zugenommen. Alter, Altern und alte Menschen stehen in der heutigen Zeit wie in keiner anderen Epoche im Mittelpunkt des Interesses (vgl. WAHL, HEYL 2004, 12). Insbesondere die Frage nach Gesundheit und Gesundheitsversorgung älter werdender Menschen ist von höchster gesellschaftlicher und individueller Bedeutung (vgl. WURM, TESCH- RÖMER 2005, S. 71).

PETZHOLD betont: „Der Tanz erfreut das Herz des Menschen, verleiht ihm Leichtigkeit und eine Heiterkeit des Gemüts, die den Beschwernissen und Dunkelheiten des Alters entgegenwirken können. Übung, Bewegung und Tanz sind deshalb Elemente in der Arbeit mit alten Menschen, die in ihrer Bedeutung für die Erhaltung und Entfaltung von Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensfreude im Alter gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können und deshalb integrierter Bestandteil jeder Altenarbeit sein müssten“ (zitiert nach RAUE 2005, S. 7).

In der hier vorliegenden Arbeit wird der erlebnisorientierte Tanz „Biodanza“ vorgestellt und die Wirksamkeit der Methode auf die psychische Gesundheit bzw. das Wohlbefinden alter Menschen im Altenwohnheim empirisch überprüft. Die Annahmen der vorliegenden Untersuchung stützen sich zum einen auf die Theorie von „Biodanza“, zum anderen auf erste Forschungsergebnisse mit jüngeren Erwachsenen, die positive Effekte auf psychologische Variablen nachweisen konnten (vgl. STÜCK et al., o.J.).

„Biodanza“ bedeutet „Tanz des Lebens“ und ist eine erlebnisorientierte Bewegungsmethode aus Südamerika. Sie wurde in den 60er Jahren von dem aus Chile stammenden Anthropologen, Psychologen und Künstler Rolando TORO entwickelt und kam ca. 1990 nach Europa. „Biodanza“ geht davon aus, dass in jedem menschlichen Leben noch viel ungelebtes Potential schlummert, das darauf wartet, er- bzw. gelebt zu werden. R. TORO (o.J. [1]) teilt dieses Potential in 5 Bereiche ein (Vitalität, Sexualität, Kreativität, Affektivität, Transzendenz). „Biodanza“ soll auf alle 5 Bereiche förderlich wirken. (Vgl. Kap. 2.4) In der vorliegenden Arbeit soll geklärt werden, ob dies auch für alte Menschen gilt.

Die Realisierung der Untersuchung erfolgt im Altenwohnheim. „Betreutes Wohnen gilt als Wohnform der Zukunft“ (BERTING- HÜNEKE 2002, S. 158). Abgesehen davon, dass es immer mehr alte Menschen in solchen Einrichtungen gibt, sind sie dort gut erreichbar, deshalb bietet sich die Durchführung von Bewegungsangeboten an. „Biodanza“ könnte als (sozial-) pädagogisch- therapeutisch orientierte Methode in das Veranstaltungsangebot von Altenzentren integriert werden. „Biodanza“ könnte durch die Übungen der Begegnung und durch das Gruppenerleben dazu beitragen, die Beziehungen der Bewohner untereinander zu vertiefen. „Verschiedene Untersuchungen belegen, dass ältere Menschen in das betreute Seniorenwohnen ziehen, weil sie nicht mehr isoliert leben wollen [...]. Soziale Kontakte zu unterstützen und den älteren Menschen in eine soziale Gemeinschaft zu integrieren, sind deshalb Ziele von betreuten Wohneinrichtungen“ (KREMER- PREISS & STOLARZ 2003, S. 103f). Diese Ziele könnten durch „Biodanza“ unterstützt werden. Zudem ist das Leben in Altenwohnheimen häufig von Bewegungsmangel gekennzeichnet (vgl. THÜLER et al. 2004). Alte Menschen können durch „Biodanza“ körperlich wie emotional aktiviert werden, was das psychische Wohlbefinden steigern und den Menschen mehr Wohlbefinden und Lebensfreude ermöglichen könnte. Die Bedeutung der Befindensregulation - zum Beispiel durch körperliche Aktivierung - wird von BREHM & ABELE folgendermaßen verdeutlicht:

Veränderungen der Altersstruktur, Veränderungen der Zivilisations- bedingungen und Verschiebungen im Krankheitspanorama sind mit einem

„Paradoxon der Gesundheit“ verbunden [...]. Wir leben heute zwar im Durchschnitt länger, dies jedoch bei subjektiv schlechterem Befinden. Die Zahl der Personen, die sich „gesund“ fühlen, nimmt ab, die Zahl jener, die über Beschwerden klagen, steigt. In der Konsequenz steigen u.a. die Zahl der Arztbesuche sowie der Medikamentenkonsum kontinuierlich an. Das „Paradoxon der Gesundheit“ wird durch chemische und medizinische Problemlösungsversuche jedoch nicht gelöst. Eine positive Befindens- regulation erfordert die Einbeziehung individueller und sozialer Handlungskompetenzen, die sportliche Aktivierung ist hierbei ein wichtiger Punkt. (BREHM & ABELE 1992, S. 95)

Die Theorie des „erfolgreichen Alterns“ betont: „Ziel ist es nicht nur, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben“ (WERLE et al. 2006, S. 62). Die Frage lautet: kann der „Tanz des Lebens“ - „Biodanza“ - den Jahren im Alter mehr Leben geben? Kann „Biodanza“ zu einer positiven Befindensregulation und einem „erfolgreichen Altern“ (BALTES & BALTES 1989) beitragen?

Die aufgeworfenen Fragen sollen anhand der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Sie besteht aus einem theoretischen und einem empirischen Teil. Im theoretischen Teil soll anhand der Darstellung verschiedener Theorien herausgearbeitet werden, ob, wieso und weshalb für „Biodanza“ mit alten Menschen positive Effekte für Gesundheit und Wohlbefinden zu erwarten sind, zudem sollen zentrale Begriffe geklärt werden. Hierbei erfolgt ein Vorgehen vom Allgemeinen zum Speziellen, d.h. zunächst werden die ursprüngliche Bedeutung des Tanzes für den Menschen sowie dessen therapeutische Wirkungen herausgearbeitet. Dann wird die Bewegungsmethode „Biodanza“ vorgestellt.

In Kapitel 3 erfolgen zuerst allgemeine, grundlegende Überlegungen zu alten Menschen. Hierbei geht es in erster Linie um die Bedeutung der Bewegung, um die Klärung des Nutzens bzw. der Zielstellungen von Bewegungsaktivitäten im Alter sowie um die Lebenssituation im Altenwohnheim. Anschließend geht es speziell um „Biodanza“ mit alten Menschen, wobei theoretischen Hintergründe, Ziele, Wirkungen spezielle Hinweise zur Methodologie dargestellt werden.

Am Schluss des theoretischen Teils der Arbeit erfolgen Definition und Erläuterung der psychischen Gesundheitsvariablen der Untersuchung (allgemein sowie speziell im Hinblick auf alte Menschen).

Anhand einer empirischen Untersuchung werden dann die theoretischen Annahmen überprüft. Im empirischen Teil der Arbeit werden zunächst in Kapitel 4 die Fragestellungen und Hypothesen der Untersuchung dargestellt, bevor die Methodologie der Studie erläutert wird. Eine kritische Betrachtung der Ergebnisse erfolgt vor deren Darstellung und Auswertung in Kapitel 6. Im vorletzten Kapitel der Arbeit erfolgt dann die Überprüfung der Untersuchungshypothesen, die Beantwortung der einzelnen Fragestellungen anhand der Zusammenfassung der Ergebnisse sowie deren Diskussion. Eine Zusammenfassung findet in Kapitel 9 statt, ebenso der Ausblick, mit dem die Arbeit abschließt.

Dieser Arbeit liegt die Fragestellung zugrunde, ob „Biodanza“ tatsächlich einen Beitrag zur Verbesserung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens im Alter leistet. Sinkt nach einer 10wöchigen „Biodanza“ - Intervention im Altenwohnheim die Depressivität der alten Menschen? Steigen die Selbstwirksamkeitserwartung und die Lebenszufriedenheit? Verbessern sich Befindensparameter Stimmung, Aktivität, Entspannung nach der Sitzung im Vergleich zu vorher? Welche Hinweise auf Wirkungen von Biodanza berichten die Teilnehmer/innen selbst? Und nutzen die Teilnehmer/innen die Erfahrungen von „Biodanza“ im Alltag? Welche Beobachtungen zeigen sich im Rahmen dieser 10 Biodanza- Einheiten?

Diese Fragen sollen durch die vorliegende Arbeit beantwortet werden.

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